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09.05.2024
Lippedorf Boke

Chronikauszug des Jahres 1919

Die folgenden Blätter stellen einen Auszug aus der Boker Chronik (Boker Chronik I) des Jahres 1919 dar.

Bei der Übertragung der Originalschriften in die heutige Druckschrift wurde die Struktur der Chronik möglichst beibehalten.
Eine Seite des handschriftlichen Originals entspricht somit auch einer Seite in der Übertragung.
Auch die Interpunktion und die Orthographie des Originals wurde ohne Korrektur übernommen.
Was so alles in dem Jahr 1919 passierte, können Sie in dem folgenden Chronikauszug nachlesen.

Nach dem Waffenstillstand am 11. November des vergangenen Jahres wird in der Chronik des Jahres 1919 über die Wahlen zur Nationalversammlung in Weimar und über die Aushandlung des Friedens in Versailles berichtet.
Die Gemeinevertretung wird neu gewählt und es kommen Kriegsgefangene nach Hause.
Bei einer Volkszählung am Ende des Jahres werden im Lippedorf Boke 1047 Personen gezählt.

 


 [281]

Jahr 1919.

Der Waffenstillstand, der am 11. November
1918 unterzeichnet und zunächst nur 35 Tage dau=
erte wurde in 1919 noch weiter verlängert.
Am 19. Januar c.239 fanden dann die Wahlen
für die Nationalversammlung statt. Hierbei fand
zum ersten Male das allgemeine Wahlrecht, wonach auch
die Frauen mitwählen konnten, statt. Hier wurden
fast sämtliche Stimmen für die Zentrumspartei abgege=
ben; drei Stimmen lauteten für einen Sozialdemo=
kraten. Die Verbandsmächte Frankreich, England,
und Amerika wollten die Friedensverhandlun=
gen mit einer geordneten Regierung, von der
Nationalversammlung bestätigt, verhandeln.
Die Wahlen für die Preußische Nationalversamm=
lung waren am 26 Januar. Sämtliche Wähler
gaben hier ebenfalls ihre Stimmen für einen
Zentrumsmann ab. Drei Stimmen für einen
Sozialdemokraten und zwei Stimmen waren un=
gültig.
Am 5. Februar Zusammentritt der Nationalver=
sammlung in Weimar.
Die Wahlen zur Gemeindevertretung fanden im
März statt. Es wurden gewählt: 1 Der Landwirt
Joseph Schulte, 2. Pächter Anton Thiele, 3 Landwirt
Wilhelm Pottmeier. 4 Landwirt Stephan Lipsmeier,
5 Landwirt Stephan Schulte u. 6. Landwirt Franz
Köhnhorn.
Am 1. März fand eine Viehzählung statt. E[s] wurden
gezählt: 156 Pferde, 793 Stück Rindvieh, 225 Schafe,

__________________________
239 Vgl. Fußnote Nr. 193.


[282]

468 Schweine, 14 Ziegen, 1755 Stück Geflügel und
14. Kaninchen. Im Monat März und April war es
noch recht kalt, deshalb kam die Obstblüte erst sehr spät.
Kirschen= und Birnbäume blühten recht voll und
versprachen eine gute Ernte; dagegen blühten die
Äpfel und Pflaumenbäume recht spärlich.
Vom 11. bis zum 18 Mai wurde in der hiesigen Pfarrkirche
eine hl. Mission abgehalten von drei Franziskaner=Patres.
P. Antonellus, P. Clarentius u. P. Valentin. Jeden Tag wur=
den drei Predigten gehalten. Die Pfarreingesessenen be=
teiligten sich sehr rege.
In den Monate[n] Mai und Juni herrschte eine
große Dürre. Der Regen fehlte besonders den Wie=
sen und Weiden. Auch das Gemüse blieb sehr zurück.
Anfangs Juni wurde auf den Kanalwiesen der
erste Grasschnitt verkauft. Der Preis pro Morgen
war wohl der Doppelte wie in füheren Jahren.
Am 28. Juni wurde in Versaillis der Friede unter=
zeichnet. Die Reichsminister Hermann Müller und
Dr Bell haben die Unterzeichnung vollzogen. Ort,
Zeit und Umstände sind alle höchst bemerkenswert.
Der Ort ist der Spiegelsaal im Schlosse Ludwigs XIV,
wo im Januar 1871 das Deutsche Kaiserreich ausge=
rufen worden ist. Derselbe Saal ist auch Zeuge
des Untergangs des Deutschen Kaisertums. Der
28 Juni ist auch jener Tag, an dem vor fünf Jahren
der österreichische Thronfolger mit seiner Gemahlin
ermordet worden ist. Die Umstände sind für Deutsch=
land äußerst schmerzlich und demütigend, denn
                                                                                                      


[283]

man hatte auf einen Verständigungsfrieden
gehofft und nun ist ein Gewaltfrieden unter=
zeichnet worden, wie noch nie in der Weltge=
schichte.
Anfangs Juli wurde der erste Grasschnitt auf den Lippe=
wiesen gemäht. Das Gras wurde sehr teuer bezahlt. Wegen
der lange anhalten[d]en Dürre war der Ertrag sehr ge=
ring. – Am 4 ds. Mts war hier ein schweres Gewitter
mit Hagel. An mehreren Stellen hat es eingeschlagen.
Im Heitwinkel bei der Ww.240 Falkenrich und bei Stephan
Schulte Berens je in eine Papel. Auf dem Gute Espen=
lake in eine Eiche. Am 21 u. 22 Juli Landregen,
warauf kalte Witterung eintrat.
Im August fand die Roggenernte statt. Leider war
das Wetter nicht ganz günstig, viele kalte Regentage
Doch diese Ernte befriedigte im Allgemeinen, sowohl
an Körnern als auch an Stroh. Hieran schloß sich
die Haferernte. Auch diese Ernte war befriedigend.
Im September waren Anfangs sehr heiße Tage,
so besonders vom 7 bis 13 ds. Mts. An einigen Tagen
zeichte das Thermometer im Schatten bis 30 % Celsius.
Dann fand im September die Grummeternte statt.
Zunächst war das Gras sehr teuer und hat die Käufer
in keinem Falle befriedigt. Am 25 Sept. kam
der erste Gefangene Herm. Wolke aus amerikani=
scher Gefangenschaft zurück. Dan folgten Franz Pott=
meier, Herm. Henkemeier, Bernhard Troja, Heinr.
Wüschen, Bernhard Brökelmann u Georg Klösener.
Im Oktober war die Kartoffelnernte. Im Allgemei=
nen ist diese Ernte in hiesiger Gegend gut ausgefallen.
Am 29 ds Mts. fiel der erste Schnee in diesem Herbst.

__________________________
240 Vgl. Fußnote Nr. 151.


[284]

Ende Oktober wurden die Hackfrüchte eingefahren.
Die lieferten einen guten Ertrag. Leider traf der
Winter zu früh ein, so daß viele Runkeln, Wurzeln
und Steckrüben vom Froste gelitten und erst im
November gegefaren241 werden konnten. Im November
schon viel Schnee. Doch Ende des Mts. gelindes Wetter.
Im Dezember viel Regen. Am 6 Dezember sogar ge=
witterhaft. Vom 25 ds. Mts. beständig Regen, so daß am
27 die Lippe austrat und viele Strecken überschwemmte.
Die Zahl der Geburten betrug pro 1919. 23. Die Zahl
der Sterbefälle 15 und die Zahl der Trauungen
8. Die Volkszählung am 1 Dezember hatte fol=
gendes Ergebnis. Es wurden gezählt 1047 Personen.
Davon waren 525 männliche 522 weiblich.
Bei der Viehzählung war das Resultat 196 Pferde,
621 Stück Rindvieh, 163 Schafe, 546 Schweine, 3 Kaninchen
u. 1913 Hühner und Gänse.
Der Gemeindehaushaltungsplan war in Gesamtein=
nahme und Ausgabe 24900 19400 Mark. Es wurden
350 % von sämtlichen Steuern erhoben. Der Ernteaus=
fall ist, wie bei den einzelnen Ernten schon aus=
geführt allgemein befriedigend gewesen.
Für den länger erkrankten Herrn Hauptlehrer
Kothe haben nach einander die Vertretung gehabt,
1. Herr Johannes Studtnich aus Hamm, 2 Herr
Ramme aus Büren und Herr Böning aus Lipp=
springe.
Die Martini Markt und Fruchtpreise stellten
sich in diesem Jahre für den Zentner
wie folgt:

1. Weizen            .....       32         Mark                                                            

__________________________
241 Gemeint ist wohl „eingefahren“ bzw. „geerntet“.


[285]

2. Roggen          .....       28,25   Mark
3 Gerste             .....       28,25      „
4 Hafer               .....       22        Mark
5. Kartoffeln      .....        7,25    Mark

Der Gemeindevertretung wurde der Inhalt der
Chronik mitgeteilt und zur Unterschrift vorgelegt.

Boke, den 10. Januar 1920.

Der Vorsteher:                  Die Gemeindevertretung:
Tölle                                   Köhnhorn
                                            Lipsmeier
                                            Schulte
                                            Pottmeier
                                            Thiele


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