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14.10.2025
Lippedorf Boke

Chronikauszug des Jahres 1909

Die folgenden Blätter stellen einen Auszug aus der Boker Chronik (Chronik Boke I) des Jahres 1909 dar.

Bei der Übertragung der Originalschriften in die heutige Druckschrift wurde die Struktur der Chronik möglichst beibehalten.
Eine Seite des handschriftlichen Originals entspricht somit auch einer Seite in der Übertragung.
Auch die Interpunktion und die Orthographie des Originals wurde ohne Korrektur übernommen.
Was so alles in dem Jahr 1909 passierte, können Sie in dem folgenden Chronikauszug nachlesen.

[231]

1909.

Den ganzen Monat Januar war trockenes Frost=
wetter. Am 31. starker Schneefall. Ebenso am 1 und
2. Februar Schnee. Am 3. Februar setzte Tauwetter
mit ständigem Regen ein. Am 4. ds. Mts trat die Lippe
aus den Ufern und so gewaltig wie seit 1890 noch
nicht wieder da gewesen war.184 Dieses mochte darin
seinen Grund haben, weil der Frost so tief in die
Erde eingedrungen war und die Erde das Wasser
nicht aufnahm. An mehreren Stellen floß
das Wasser über die Kreisstraßen. Viele
Grundstücke an der Lippe sind total verflossen
Am 5. Februar fing das Wasser wieder lang=
sam an zu fallen. Ende des Monats herrschte
an mehreren Tagen s eine so große Kälte,
wie seit vielen Jahren nicht gewesen ist.
Am 28. Februar starker Schneefall. Ebenfalls
am 2 März viel Schnee, dann einige Wochen
anhaltender Frost. Ende des Monats gutes
Wetter ohne Frost.
Am 2. April Schneegestöber, dann bis zum 17. kalte Nächte.
Frost.) Am 18. war – 20 % C. Deshalb abends ein ziem=
lich schweres Gewitter mit Regen, welcher schon
lange erwartet war. Wegen der anhalten=
den Kälte konnte die Obstblüte sich nicht ent=
wickeln und auch die Wiesen und Weiden
zeichten noch wenig Gras.
Auch im Monat Mai gab es noch viele kalte
Nächte mit Frost, starke Ostluft und keinen
Regen. – Am 7. Mai abends gegen 10 Uhr starb
nach kurzer Krankheit versehen mit den heiligen
Sterbesakramenten der Hochwürdige Herr Landdechan

___________________________________
184 Vgl. dazu die Chronikeintragung für das Jahr 1890 und die entsprechende Fußnote.

[232]

und Pfarrer Wilhelm Sagemüller185 in einem Alter
von nahe 86 Jahren. Die Beerdigung fand am
12 Mai statt. Eine so große Beerdigungsfeier hat
Boke gewiß noch nie gesehen. An derselben
nahmen 50 geistliche Herren teil. Das feierliche
Levitenamt186 wurde von dem Herrn Definitor187
und Pfarrer Borgmeier aus Thüle zelebriert
und auch die Beerdigung vorgenommen
Die Predigt hielt der Herr Definitor und
Pfarrer Pöppelbaum aus Wevelsburg.
Der Verstorbene hat seit 1852 zunächst als
Kaplan und dann von 1872 als Pfarrer
in Boke höchst segensreich gewirkt. Am
30. April 1902 feierte er sein 50jähriges
Priester= und Ortsjubiläum unter großer
Beteiligung der ganzen Pfarrgemeinde
und vieler Freunde und geistlicher Herren
von nah und fern. Von Sr. Majestät
Kaiser Wilhelm II. wurde ihm der rote
Adlerorden IV Klasse verliehen.
Am 3. 4 u. 5 Juni einige Regenschauer.
Es konnten die Runkeln und Kolrabipflan=
zen teils versetzt werden. Wenn aber der
Regen ausbleibt, werden viele Pflan=
zen vertrocknen. Auch die Wiesen und
Weiden verlangen sehr nach Regen. Anfangs.

__________________________
185 Pfarrer Sagemüller scheint in der Bevölkerung sehr beliebt gewesen zu sein. Tönsmeyer, S. 53, beschreibt ihn als „[s]ehr volkstümlich“.
186 Großes Handlexikon, S. 638: „Leviten, 1. im A.T. die Nachkommen Levis u. Angehörige des Priesterstandes. - 2. in der kath. Kirche Diakone beim feierl. Hochamt; das L.amt wurde 1972 aufgehoben.“
187 Ebd., S. 220: „Definitor, Diffinitor, kirchl. Verwaltungsbeamter ...“

[233]

des Mts. wurde der erste Grasschnitt auf den Ka=
nalwiesen verkauft. Gegen das vorige Jahr ist der Mor=
gen um gut 1/3 teurer verkauft.
Am 18. Juni fand unter Vorsitz des Herrn Regierungsrat
Peine = Paderborn eine Versammlung statt, um die
Depitierten188 zu wählen für die stattfindende Separation189.
Es wurden folgende Herren gewählt: Ackerwirt Hein=
rich Schmidt und Ackerwirt Heinrich Leiwesmeier beide
zu Untereichen, Ackerwirt Bernhard Jostmeier, Acker=
wirt Stephan Beine, Ackerwirt Stephan Troja und Acker=
wirt Joseph Geesmeier sämtlich zu Heitwinkel. Der
Herr Amtmann Albers aus Salzkotten nahm an der
Versammlung teil. Der Herr Regierungsrat bezeich=
nete genau die zur Separation gelangenden Grund=
stücke. – Zur Deckung der Separationskosten
wurde bei der Boker Spar und Darlehnskasse
ein Darlehn von 10000 Mark aufgenommen.
Ackerwirt Heinrich Leiwesmeier wurde zum
Rendanten190 der Separationskasse gewählt.
Im Juli regnete es viel, was der Heuernte
sehr geschadet hat. Viel Heu ist naß eingefahren.
Am 9. August kam von Südwesten her ein
sehr schweres Gewitter mit gewaltigem Hagel,
wie es seit la[n]gen Jahren nicht gewesen war.
Der noch auf dem Halme stehende Roggen
war bereits ganz ausgeschlagen. Sämtliche
Früchte in den Gärten und auf dem Felde
haben sehr gelitten. – Die hiesige erledigte Pfarr=
stelle ist auf Präsentation191 des Herrn Grafen
von Fürstenberg Herdringen von der bischöflichen
Behörde dem bisherigen Hochw. Herrn Kaplan
Liedhegener verliehen worden. Die feierliche

__________________________
188 Gemeint sind wohl Deputierte, also „Abgeordnete“ (Fremdwörterbuch, S. 101).
189 Tönsmeyer, S. 169: „Einer rationellen bäuerlichen Betriebsführung stand die Gemengelage der Parzellen in der Feldflur hindernd im Wege. Deshalb beantragten die Bauern die  Durchführung der Separation (...) Das Ziel der Umlegung sollte die wirtschaftliche Neuordnung der Feldflur, die Anlage eines ausreichenden Wege- und Grabennetzes und die endgültige Grenzziehung gegen die Gemeinden Mantinghausen und Schwelle sein. Gleichzeitig brachte die Arbeit der Boniteure eine Neueinschätzung der Grundstücke und damit auch der Grundsteuer (...) Als genossenschaftliche Anlagen verblieben im Gemeindezenrum zwei Sandgruben, zwei Vogelschutzgehölze, zwei Bleichplätze, ein Jugendspielplatz und ein Abdeckerplatz.“ Vgl. dazu auch Fußnote Nr. 68.
190 Duden, S. 575: „Rendant ... Rechnungsführer“.
191 Großes Handlexikon, S. 850: „Präsentation, im Recht der Vorschlag, bes. zu einer Ernennung“. Dieses Vorschlagsrecht - hier für das Priesteramt - hat in der Vergangenheit auch  machtpolitisch eine große Bedeutung gehabt. In bezug auf das Präsentationsrecht an der Boker Pfarrkirche hält Tönsmeyer, S. 50, fest: „So erhielt der bekannte Ritter Philipp von Hörde am 16. Juli 1476 von dem Edelherrn Bernd zur Lippe das Recht für sich und seinen Vetter Johann. Beide Familien verpflichteten sich, die Kirche unter ihren besonderen Schutz zu stellen, und hatten das Recht, bei der Vakanz der Stelle einen ihnen genehmen Priester als Pfarrer vorzuschlagen, der dann vom Bischof bestätigt wurde. Nach dem Aussterben beider Linien von Hörde zu Boke ging das Präsentationsrecht auf die Erben des alten Hauses, von Adelepsen, von Rheden, von Alten und von Ketteler, und auf die Nachfolge der neuen Linie, von Heiden und von Fürstenberg, über.“

[234]

Einführung als Pfarrer fand am 24. August durch
den Herrn Pfarrer und Landdechanten Schunk
aus Salzkotten statt. Abends vorher am 23 August
wurde dem neuen Pastor zu Ehren ein groß=
artiger Fakelzug gebracht, woran sich die
ganze Pfarrgemeinde beteiligte. Der Herr
Vikar Burgard aus Holsen hielt die Fest=
rede, welche der neue Pastor mit recht zu
Herzen=gehenden Worten erwiederte. Die
Kirche war am Festtage aufs Schönste ge=
schmückt; ebenfalls war der Kirchplatz reichlich
mit Guirlanden und Fahnen ausgeziert.
Viele geistliche Herren nahmen an der
Feier Teil. – Am 31.
Am 31. August starb in Paderborn an
Lungenentzündung der Hochwürdigste
Bischof Wilhelm Schneider.
In den ersten Tagen des September
wurde die alte Pastorat abgebrochen, wel=
che durch einen Neubau ersetzt werden
soll. Am 11. September, nachts ein sehr
schweres Gewitter. Den 19 d. Mts. den
ganzen Tag Regen, so daß die Lippe drohte
auszutreten. Ende des Mts. gutes Wetter,
wodurch die Grummeternte einen guten Ab=
schluß fand. Die Obsternte und Kartoffeln=
ernte war befriedigend.
Im Oktober war die Witterung durchgehends
gut. Ende des Monats wurde mit dem

[235]

Neubau der Pastorat begonnen, welchen der Maurer=
meister Kloke in Salzkotten übernommen hat.
Am 31. Oktober verunglückte der achtjährige Schul=
knabe Franz Leiwesmeier, Sohn des Ackerwirts Hein=
rich Leiwesmeier zu Untereichen bei der Dreschma=
schine. In einem unbewachten Augenblicke
hatte derselbe die linke Hand in ein Getriebe
gesteckt, wodurch diese zerquetscht und abgenom=
men werden mußte.
Im November und Dezember war die Witter=
ung mild und angenehm. Schnee und Frost sehr
wenig. Das Vieh konnte bis spät in den Herbst
auf die Weide getrieben werden.
Bei der Viehzählung am 1. Dezember wurden
98 Pferde, 673 Stück Rindvieh, 1017 Schafe und 859
Schweine, gezählt.
Der Gemeinde Haushaltungsplan war in Ein=
nahme und Ausgabe auf 13400 Mark festgesetzt.
In diesem Jahre sind 34 Geburten, 22 Sterbefälle
und 5 Trauungen vorgekommen.
Die Martini Markt und Fruchtpreise betrugen
für den Doppelzentner

Weizen       .....      23,20  Mark
Roggen      .....      21,50   ”
Gerste        .....      20,80   ”
Hafer         .....      12,40   ”
Kartoffel     .....       6,00   ”

Der Gemeindevertretung wurde der Inhalt
der Chronik mitgeteilt und zur Unterschrift
vorgelegt.

Boke, den 4. Januar 1910.

Der Vorsteher:                      Die Gemeindevertretung:
Schäfermeyer                                 Jostmeier.
                                                     Beine
                                                     Groepper

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