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09.05.2024
Lippedorf Boke

Chronikauszug des Jahres 1914

Die folgenden Blätter stellen einen Auszug aus der Boker Chronik (Boker Chronik I) des Jahres 1914 dar.

Bei der Übertragung der Originalschriften in die heutige Druckschrift wurde die Struktur der Chronik möglichst beibehalten.
Eine Seite des handschriftlichen Originals entspricht somit auch einer Seite in der Übertragung.
Auch die Interpunktion und die Orthographie des Originals wurde ohne Korrektur übernommen.
Was so alles in dem Jahr 1914 passierte, können Sie in dem folgenden Chronikauszug nachlesen.
Das bemerkenswerteste und weltverändernde Ereignis dieses Jahres ist der Ausbrauch des 1. Weltkriegs.
Aus Boke nehmen in diesem Jahr 100 Personen am Weltkrieg teil. Am Ende des Jahres sind auch in dem Lippedorf Kriegstote zu beklagen.



 [255]

1914.

Am 1. und 2. Januar trat der Winter in seine
Rechte mit starkem Schneefall. Am 3. Januar trat aber
schon wieder Tauwetter mit Regen ein, so daß am
5. d. Mts. die Lippe groß wurde und über die Ufer ging.
Kaum in die Ufer zurückgegangen, regnete es am
9. Januar den ganzen Tag und die Lippe trat erneut
über die Ufer. Land und Wiesen standen weit unter
Wasser. Den 11. d. Mts fing es an zu frieren. Das Frostwet=
ter hielt an bis zum 25. Januar. Es herrschte eine große
Kälte 14 – 15 % C. Die Wiesen waren d mit Eis bedeckt und
viel Roggen hat von dem Eise sehr gelitten. Am 26. Janu=
ar trat Tauwetter ein, dem eine milde Witterung
folgte bis in den Monat Februar.
Am 27. d. Mts. hatte sich der der Stephan Köthenbürger
zu Untereichen vom Hause entfernt. Nach tagelangem
Suchen wurde er am 30. d. Mts. in der Nähe des Kon=
rad Linnenbrink als Leiche in der Lippe gefunden.
Ende Januar und im Februar waren die Kinder
mit wenigen Ausnahmen an den Frieseln204 und
Masern erkrankt. Mehrere Kinder sind daran ge=
storben. Die Unterklasse wurde für längere Zeit
geschlossen. Im ganzen Monat Februar war die
Witterung sehr gelinde; am Tage oft recht warm.
Am 2. März fand die Wahl eines Vorsteher statt.
Der Postagent Wilhelm Laumeier zu Boke erhielt
2 Stimmen und der Ackerwirt Wilhelm Tölle
zu Untereichen 4 Stimmen. Letzterer hat die
Wahl angenommen und ist für 6 Jahre als
Vorsteher angestellt. – Der Monat März hat mit
Ausnahme von wenigen Tagen nur Regen ge=
bracht und die Lippe trat wieder aus ihren Ufern.
                             des April
In den ersten Tagen |-herrschte das schönste Frühlings=
wetter. Die Obstblüten entwickelten sich zusehend

__________________________
204 Vgl. Fußnote Nr. 48.


[256]

und die Obstbäume standen bald da in der schönsten
Blütenpracht und versprachen eine reiche Obsternte.
Am 8. April mehrere schwere Gewitter. Bis zum 25 ds.
Mts. recht warmes und angenehmes, hell[es] u. klares
Wetter. Am 26. 27 u 28 April starke Nachtfröste, wodurch
die meisten Obstblüten zerstört sind. Die kalten
Nächte dauerten auch im Monat Mai noch an.
Überhaupt war der Mai kalt und naß, die
Viehweiden hatten wenig Gras, so daß das Wei=
devieh aus den Weiden herausgeholt werden
mußte oder darin gefüttert werden. Am
23 Mai gleich nach mittag zog ein schweres
Gewitter über unsere Gegend, welches stellen=
weise viel Schaden anrichtete. In einer Weide
wurde ein dem Ackerer Franz Hennemeier
an der neuen Reihe gehörender wertvoller Ochse vom
Blitze getroffen und getötet.
Anfangs Juni begannen in den Kanalwiesen
in der Bokerheide die Grasverkäufe. Der Preis
stellte sich gegen das vorige Jahr bedeutend höher
obwohl der Ertrag weniger ist.
Am 2. Juni fand eine allgemeine Zählung
der Schweine statt. Es wurden in der hiesigen
Gemeinde 1366 Stück gezählt.
Am Fronleichnamsfeste wurden zum ersten Male die
Glocken durch elektrische Kraft geläutet. Auch das Gebläse
in der Orgel wird elektrisch besorgt.205 Bei einem von
Osten herkommenden Gewitter am 16 Juni schlug der
Blitz in die Scheune des Ackerwirt Heinrich Berhorst
zu Heitwinkel, jedoch ohne zu zünden, und auf dem

__________________________
205 Vgl. Fußnote Nr. 203.


[257]

Gehöfte des Ackerwirts Joseph Schulte zu Untereichen
schlug der Blitz in eine wertvolle Eiche.
Am 20 Juni war besonders gutes Heuwetter. Den 21 u
22 regnerisch. Besonders gutes Pflanzewetter.
Ein trauriger Unglücksfall ereignete sich am 20. Juni.
Der Fleischbeschauer Stephan Schniedermeier hatte ein Fuder
Heu geholt. Vor seiner Wohnung spielten die Kinder.
Ein 4jähriger Knabe geriet so unglücklich unter den
beladenen Wagen, daß ihm die Räder über Leib und
Brust gingen. An dem Aufkommen des Kindes wur=
de vorläufig gezweifelt. Ende Juni und Anfangs
Juli besonders gutes Wetter, sehr heiß, wohl 27 – 28 % C.
Am 10 Juli wurde hier von Offizieren des 7 Armeekorps
ein Reiten um den Kaiserpreis abgehalten. Es
waren ca. 30 Hindernisse zu nehmen. Die auf=
gebauten Hindernisse und vorhandenen Gräben
wurden von allen Pferden gut genommen.
Leider hatte es in Tagen vorher viel geregnet,
deshalb war das Reiten in den Wiesen sehr
schwer. Von den Durchschwimmen der Lippe
wurde wegen hohen Wasserstandes Abstand
genommen; ebenso mußte das Durchwaten
des Gunnebaches, da die Pferde versanken
aufgegeben werden. Dagegen wurde das
schwere Hindernis bei der Gunnebrücke,
auf= und abreiten der steilen Böschung
von allen Reitern gut genommen. Die
Brücke war von Zuschauern stark besetzt um
dies seltene Schauspiel anzusehen. Anwe=
send waren der kommandierende General
Exl. von Einem, der Brigarde Kommandör,
der Kommandör des 8 Hus. Rgmt und viele
Offiziere. Gegen ½ 8 Uhr kam der letzte Reiter.


[258]

In der letzten Woche des Monats Juli wurde allgemein
von Krieg gesprochen. Am 31. Juli wurde dan ganz
Deutschland in den Kriegszustand erklärt. Am 1. Aug
wurden schon die Reserven eingezogen. Der folgende
Tag der 2. August war schon der erste Mobilmachungstag
Auf Veranlassung von Serbien war der ostreichi=
sche Thronfolger und seine Gemahlin meuchelmör=
derisch getötet. Infolge dessen erklärte Ostreich
an Serbien den Krieg. Rußland versprach Serbien
zu unterstützen und erklärte Ostreich den Krieg.
Deutschland als Bundesgenosse Ostreichs wurde
nun auch, da die Friedensverhandlungen schei=
terten auch an Deutschland der Krieg der
Krieg erklärt nicht nur von Rußland sondern auch
von Frankreich und England. Später trat noch
Montenegro und Japan hinzu. Die Türkei wurde
unser Bundesgenosse und erklärte den hl. Krieg.
Am 5. August wurde ein allgemeiner Bet=
tag abgehalten, die Mobilmachung des Heeres
vollzog sich sehr rasch und so zogen unsere Solda=
ten schon bald in Belgien ein. Am 7. August
fand schon die Erstürmung der Festung Lüttig
statt. Am 20 August Sterbetag des hl. Vaters
Pius X. Am selben Tage war die große Schlacht
bei Metz, wodurch die Franzosen geschlagen
und vollständig wieder über die Grenze ge=
trieben wurden. Inzwischen waren auch
Russen in Ostpreußen eingefallen wurden
aber bald wieder zurückgeschlagen und unter
dem Generalfeldmarschall von Hindenburg
in mehreren Schlachten, so an den Massirischen
Seen206, verdrängt und geschlagen u. 90000 Gefangene
gemacht.
Im August war die Witterung für die Land=

 __________________________
206 Gemeint sind wohl die Masurischen Seen.


 [259]

wirtschaft recht günstig, warm und trocken nur wenige
Regentage und so konnte der Roggen recht trocken einge=
fahren werden. Der Ertrag dieser Ernte war befriedigend.
Auch die Haferernte lieferte einen guten Ertrag sowohl
an Stroh als auch an Körnern.
Im September war nur trockenes Wetter, die Grummet=
ernte wurde deshalb rasch beendet, ebenso auch die Kar=
toffelnernte. Letztere lieferte einen guten Ertrag.
In den ersten Tagen des Septembers fand in Rom
die Papstwahl statt. Der Neugewählte nahm den
Namen Benedikt V XV an.
Anfangs Oktober mehr Regen. Die Hackfrüchte konnten
sich deshalb noch gut entwickeln. In der ersten Hälfte
des Septembers Monats November viel Regen. Vom
18 bis 22 starker Frost, dann gelinde bis Ende. Die
Hack= u. Herbstfrüchte als Runkeln, Steckrüben und
Stoppelrüben, welche einen reichen Ertrag lie=
ferten, wurden jetzt eingefahren. Im Dezember
nur gelindes Wetter. Bis zum Ende des Jahres
waren aus der hiesigen Gemeinde ca 100
Personen im Kriege. Den Heldentod für
Vaterland sind gefallen zwei:
1. Joachim Plahs in d am 20. August bei St.
Quentin durch einen Kopfschuß. 2. Der
                                                     8. September
Gardist Wilhelm Wilmes am 12. Oktober |-durch
einen Schuß in die Brust. – J. Schniedermeier
ist im Lazaret in Metz an der Ruhr gestorben.
Folgende sind verwundet: 1. Joseph Henkemeier,
Schuß in den Hals. 2 Steph. Henkemeier, Schuß durch
den Oberschenkel. 3 Joh. Rüsing Schulterschuß. 4
Martin Köhsmeier, Armschuß. 5 Steph. Mennemeier
Schuß durch den Oberschenkel, desgl. 6 Franz Falkenrich
7 Georg Brinkmann Schrammschuß über den Kopf.


[260]

Stephan Mennemeier hat wegen Tapferkeit das eiserne Kreuz
erhalten. – Die am 1. Dezember erfolgte Viehzählung
hatte folgendes Ergebnis: 98 Pferde 868 Stück Rindvieh,
590 Schafe, 1313 Schweine und 40 Ziegen.
Die Vorratsermittelung ergab: 2826 Zent.
Der Gemeindehaushaltungsplan war in Einnahme u.
Ausgabe 17900 Mark.
Nach der letzten Personenstandsaufnahme sind in
Boke 1038 Einwohner.
In diesem Jahre sind 37 Geburten, 25 Sterbefälle und
4 Trauungen vorgekommen.
Der Ernteausfall ist, wie oben schon einzelnen
ausgeführt befriedigend gewesen. Der Krieg
ist auf die Gemeindeverhältnisse nur in sofern
fühlbar, daß die vielen jungen Leute als Arbeits=
kräfte entzogen sind.
Die Martini Markt und Fruchtpreise stellten
sich pro Doppelzentner wie fogt:

Weizen           .....       36     Mark
Roggen          .....       24         „
Gerste            .....       24,50    „
Hafer              .....       24         „
Kartoffeln      .....          7,50   „

Der Gemeindevertretung wurde der
Inhalt der Chronik mitgeteilt und zur Un=
terschrift vorgelegt.

Boke, den 5. Januar 1915.

Der Vorsteher:                  Die Gemeindevertretung:
Tölle                                  Schmidt.
                                           Pottmeier.
                                           Jostmeier.
                                           Beine
                                           Leiwesmeier


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