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08.05.2024
Lippedorf Boke

Chronikauszug des Jahres 1915

Die folgenden Blätter stellen einen Auszug aus der Boker Chronik (Boker Chronik I) des Jahres 1915 dar.

Bei der Übertragung der Originalschriften in die heutige Druckschrift wurde die Struktur der Chronik möglichst beibehalten.
Eine Seite des handschriftlichen Originals entspricht somit auch einer Seite in der Übertragung.
Auch die Interpunktion und die Orthographie des Originals wurde ohne Korrektur übernommen.
Was so alles in dem Jahr 1915 passierte, können Sie in dem folgenden Chronikauszug nachlesen.
Nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs im vergangenen Jahr wird in der Chronik des Jahres 1915
den Ereignissen dieses Weltkriegs eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Auch in dem Lippedorf Boke sind die Auswirkungen des Krieges zu spüren;
es gibt Verwundete und es sind Kriegstote zu beklagen.



 [261]

1915.

Das Jahr 1915 steht noch unter dem Zeichen des großen
Weltkrieges. Das Ende desselben ist noch gar nicht abzu=
sehen. Ein großer Vorteil ist, das der Krieg auf feind=
lichen Boden geführt wird und unser Vaterland frei von
feindlichen Soldaten ist. Nur viele 100000 Kriegsgefangene
sind in unserem Vaterlande. Anfangs Januar war
trockenes Wetter. Am 5 Januar der erste Schnee, der
aber bald wieder verschwand, da am folgenden
Tage Tauwetter mit vielem Regen eintrat. Am
16 Januar trat die Lippe wegen des anhaltenden Re=
gens aus den Ufern. Den 25. d. Mts. trat Frostwet=
ter ein, dem am 29 d. Mts. starker Schneefall folgte.
Anfangs Februar Tauwetter mit Regen mit ge=
linder Te[m]peratur bis Ende des Februar.
Am 15. Februar hat der Musketier Georg Brink=
mann auf dem östlichen Kriegsschauplatze für
besondere Tapferkeit das eiserne Kreuz II Klasse
[erhalten] und ist zum Gefreiten befördert worden.
Am 1. März starkes Schneegestöber mit nachfolgen=
den Regen, so daß am 6. März die Lippe wieder
die ganze Gegend überschwemmte. Der ganze
Monat war trübe und regnerisch. In den
ersten Tagen des Monats April wurde auf dem
Gehöfte des Gutsbesitzers Heinrich Schmidt zu
Untereichen ein Gefangenenlager (Depot) ein=
gerichtet. Am 6. April trafen dann 80 Kriegs=Gefangene
teils Franzosen und teils Engländer hier ein.
Dieselben wurden in der Boker=Heide
zu Meliorationsarbeiten207 verwendet. Im April

__________________________
207 Großes Handlexikon, S. 689: „Melioration, Maßnahmen zur Urbarmachung ungenutzten Bodens oder zur Steigerung der Fruchtbarkeit, bes. Ent- und Bewässerung.“


[262]

Der April war meist regnerisch, nur einige ange=
nehme Frühlingstage. Im April ist der Wehrmann
Georg Eikmeier auf dem westlichen Kriegsschauplatze
durch einen Kopfschuß gefallen. Ehre dem tapferen
Helden. – Am 10 Mai weilte hier der Hw. Herr
Weihbischof Heling von Lanzonauer aus Paderborn
und spendete die hl. Firmung. Mitte Mai setzte
schon eine trockene Witterung ein. Ende des Mts.
begann schon der Verkauf des Grases auf den Ka=
nalwiesen. Wegen der großen Dürre war der
Kaufpreis sehr hoch. Das Heu ist sehr gut gewonnen
und der Ertrag reichlich. Der im Mai schon ersehn=
te Regen Regen blieb auch im Juni aus.
Es ist noch keine Pflanze, weder Kabst208, noch Run=
keln und Steckrüben gesetzt. Am 8 Juni sehr heiß
30 % Cels. Am 9. gewitterhaft mit Regen, aber
leider zu wenig, um Pflanzen setzen zu
können. Wehrmann Hermann Pottmeier hat auf
dem westlichen Kriegsschauplatze für besondere
Tapferkeit das eiserne Kreuz II Klasse erhalten.
Vom 18 auf den 19 Juni starker Frost; Kartoffeln,
Bohnen u.s.w. sind verschiedentlich total erfroren.
Am 24. Gewitter mit erquickenden Regen.
Am 15 Juni ist der Wehrmann Joh. Klösener bei Aras ge=
fallen. Ende Juni waren mehrere Gewitter; brachten
aber wenig Regen. – Anfangs August Juli sehr trocken.
Vom 5 Juli an mehrere Tage Regen; so daß die Pflan=
zen als Kabst, Runkeln und Steckrüben etc. gepflanzt
werden konnten. Am 4 Juli ist der Musketier

__________________________
208 Vgl. Fußnote Nr. 194.


[263]

Stephan Kroos in Frankreich schwer verwundet und tags darauf ge=
storben. Am 16 Juli ist der Musketier Franz Nolte verwundet und
ist ebenfalls am folgenden Tage gestorben. Am 18. Juli ist Heinrich
Klösener und am 23. Juli der Musketier Heinrich Thewes beide in
Ruhsland gefallen. Heinrich Lübers, Joseph Ottensmeier und Bern=
hard Fehige sind in Ruhsland verwundet. Ottensmeier schwer.
Ende Juli begann die Roggenernte. Anfangs August war sehr
günstige Witterung. Der Roggen kam deshalb sehr trocken un=
ter Dach und hat einen befriedigenden Ertrag geliefert, beson=
ders an Körnern; an Stroh wohl weniger. Am 4. August
ist der Unteroffizier Stephan Henkemeier bei Warschau gefallen
Die Heuernte auf den Lippewiesen war in der ersten
Hälfte des Monats August. Der Ertrag war wegen der Dürre
im Frühjahr wegen wenig. Das Heu konnte aber recht trocken
eingefahren werden. In der zweiten Hälfte des August
viel Regen. Besonders gutes Wetter für die Hackfrüchte.
Anfangs September dunkles Wetter und viel Regen.
Mitte September die Haferernte. Der Hafer wurde sehr
unregelmäßig reif, weil nach dem Regen noch viel
aufgegangen war. Diese Ernte hat nicht befriedigt.
Die Grummeternte, welche auch im September zu Ende
gebracht wurde, lieferte einen guten Ertrag. Auch
ist der Grummet ist im allgemeinen sehr trocken ge=
wonnen worden. Am 20. September ist Stephan Krämmer
in Rusland gefallen und am 23. ds. Mts. Leopold Hüser da=
selbst an der Ruhrkrankheit gestorben. Ende September
und anfangs Oktober fand die Kartoffelnernte statt.
Dieselbe lieferte einen sehr reichlichen Ertrag und
sind dieselben auch trocken in die Keller und Dimmen209
gekommen. Ende Oktober mehrere rauhe und kalte
Tage. Am 27 u. 28 der erste Schnee. Am 21. Oktober
ist der Musketier Heinrich Wülling in Ruhsland ge=
fallen. Anfangs November gutes Wetter. Die Hackfrüchte

__________________________
209 Wissen Für Alle, S. 381: „Dieme ... im Freien aufgeschichteter, abgedeckter Heu-, Stroh- oder Getreidestapel.“ Für Kartoffeln und Runkeln stellte die Einbringung in Diemen damals die übliche Lagerungsform dar.


[264]

konnten recht trocken eingebracht werden und haben einen
reichlichen Ertrag geliefert. Am 20. 21 u. 22 November hatte das
Barometer eine ungewöhnliche Höhe erreicht und es waren
sehr kalte Tage. Am 23 ds. Mts. ist Stephan Hoffschwelle in
Frankreich gefallen. Verwundet sind noch Anton Thiele
und Wilhelm Köhsmeier. Am 11. Dezember ein orkan=
ähnlicher Sturm mit starkem Sturm Regen. Viele Dächer ver=
loren Ziegeln. Am 20 Dezember starker Schneefall.
Es sind bis Ende des Jahren 14 Soldaten im Kriege ge=
fallen. Einberufen sin in Sa 172 junge Leute. Von
diesen sind wie oben schon gesagt 14 gefallen und 2
vermißt: Hermann Wiemeier und Wilhelm Schnie=
dermeier. Die am 1. Dezember erfolgte Viehzählung
hatte folgendes Ergebnis: 88 Pferde, 821 Stück Rind=
vieh, 784 Schweine, 558. Schafe und 34 Ziegen.
Der Gemeinde Haushaltungsplan war in Einnahme
und Ausgabe 17900 Mark 340 % der Gemeindesteuer.
Nach der letzten Personenstandsaufnahme sin[d] in
Boke 1072 Einwohner. In diesem Jahre sind 29 Ge=
burten 18 männliche und 11 weibliche, 15 Sterbefälle
und 1 Trauung vorgekommen. Der Ernteausfall
ist, wie oben schon einzeln ausgeführt, befrie=
digend gewesen. Durch die vielen Einberufun=
gen so vieler jungen Leute und der dauernden
Abwesenheit war der Arbeitermangel in der
Gemeinde manchmal sehr fühlbar.
Die Martini Markt und Fruchtpreise stellten
sich für den Doppelzentner wie folgt:

Weizen           .....       27         Mark
Roggen          .....       23         „
Gerste            .....       22,50    „


[265]

 

Hafer              .....       30         Mark
Kartoffeln      .....          6,50   „

Der Gemeinde-Vertretung wurd[e] [d]er Inhalt der Chronik
mitgeteilt und zur Unterschrift vorgelegt.

Boke, den 5. Januar 1916.

Der Vorsteher:                  Die Gemeindevertretung:
J.W.                                    Leiwesmeier
Kiffe                                   Troja
                                           Schäfermeyer
                                           Jostmeier
                                           Pottmeier


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