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08.05.2024
Lippedorf Boke

Chronikauszug des Jahres 1917

Die folgenden Blätter stellen einen Auszug aus der Boker Chronik (Boker Chronik I) des Jahres 1917 dar.

Bei der Übertragung der Originalschriften in die heutige Druckschrift wurde die Struktur der Chronik möglichst beibehalten.
Eine Seite des handschriftlichen Originals entspricht somit auch einer Seite in der Übertragung.
Auch die Interpunktion und die Orthographie des Originals wurde ohne Korrektur übernommen.
Was so alles in dem Jahr 1917 passierte, können Sie in dem folgenden Chronikauszug nachlesen.
Nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs wird in der Chronik des Jahres 1917 auch
den Ereignissen dieses Weltkriegs eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Auch in dem Lippedorf Boke sind die Auswirkungen des Krieges zu spüren;
es gibt Verwundete und es sind Kriegstote zu beklagen.



 [270]

Jahr 1917.

Auch das Jahr 1917 steht noch unter dem Zeichen des großen
Weltkrieges. Das Ende desselben ist auch jetzt noch nicht
abzusehen. Im Der Das im Dezember v. Jrs. von Seiten
Deutschlands [gemachte] Friedensangebot wurde von England und
seinen Verbündeten nicht angenommen und so wird
wohl der Krieg mit ganz erbitterter Schärfe weiter
geführt werden. Es wurde nun aber auch von
Deutschland der Krieg zur See und zwar durch
Unterseebote angekündigt. –
Die Witterung fing am 1. 2 u 3 Januar mit
starkem Regen an, so daß am 4 Januar die
Lippe aus ihren Ufern trat. Am 5 Januar setzte
aber schon Frostwetter ein und die Lippe ging rasch
in die Ufer zurück. Die trockene Kälte hielt
an, bis in den letzten Tage[n] des Mts. starker
Schneefall einsetzte. – Am 9. Januar ist der
Musketier Heinrich Brinkmann aus Barbruch,
Gemeinde Boke bei La Basse den Helden=
tod gefallen.
Der Ende Januar gefallene Schnee blieb den
den ganzen Februar liegen. Es trat eine un=
gewöhnliche stränge Kälte [ein], wie seit Jahren nicht
gewesen ist. An vielen Tagen zeichte das
Thermometer 15 bis 20 % C unter 0 an. Viele
Kartoffeln sind nicht nur in den Dimmen,232
so[n]dern auch in vielen Kellern erfroren.
Auch viele Runkeln und Steckrüben haben
von dem Froste gelitten. –
Am 20. Februar setzte der angekündigte
                                                                U=Botkrieg

__________________________
232 Vgl. Fußnote Nr. 209.


[271]

U-Bootkrieg ein. –
Im Monat März hielt die Kälte noch an. Brennmaterial, beson=
ders die Kohlen waren sehr knapp; auf den Holzauktionen war das
Holz doppelt und dreifach teurer als in den Vorjahren.
Auch im April war es noch so kalt, daß die Obstbäume nicht zum
Blühen kamen. Erwähnt muß hier werden, daß die jungen
Gänse, Gösseln233 ausnahmsweise sehr teuer waren Ver=
schiedentlich wurde das Stück mit 22 bis 23 Mark bezahlt.
Am 17. April ist der Musketier Joseph Wübbe bei Aras
gefallen.
In den ersten Tagen des Mai [trat] warmes Wetter ein.
Am 5 Mai gewitterhaft. Die Obstbäume blühten
jetzt. Kirschen, Birn= und Apfelbäume blühten so voll
und versprachen eine reiche Ernte. Zwetschenbäume
hatten sehr wenige Blüthen. Leider trat Mitte Mai
eine große Dürre ein, welche überhaupt die ganze
Vegetation beeinträchtigte. –
Im Monat Mai sind aus hiesiger Gemeinde
3 Krieger gefallen. Am 7. Mai Franz Falkenrich,
den 8 Mai Konrad Hennemeier. Beide waren
schon einige Mal verwundet gewesen; Henne=
meier war sogar einmal verschüttet, wodurch
er einen Rippenbruch erhalten. Am 21. Mai ist
Georg Schütte durch eine Granate bei Reims
gefallen.
Anfangs Juni begann die Heuernte auf den Kanal=
wiesen. Wegen der lang anhaltende[n] Dürre ist das
Gras doppelt so teuer bezahlt, wie im vorigen Jahre.
Das Heu ist aber sehr gut gewonnen unter Dach ge=
kommen. Die Weidekämpe sind vollständig trocken.
Aus mehreren Kämpen hat man das Vieh herausholen
müssen, um es in den Ställen zu füttern. Am 21. Juni
kam der so ersehnte Regen. Auch am 22 u 23 regnete es.

                                                                                                              So

__________________________
233 Duden, S. 303: „Gössel ... (niederd. für: Gänschen)“.


[272]

So konnten nun die verschiedenen Pflanzen, als Kabst=234, Wir=
sing=, Kohl und Runkelnpflanzen, gepflanzt werden. Am 14 ds. Mts.
wurde der Schütze Franz Pottmeier als vermißt gemeldet.
Nun, am 25. haben die betrübten Eltern von ihm ein[e] Karte aus
erhalten, daß er in englischer Gefangenschaft wäre und sich ver=
hältnismäßig wohl befände. Die Freude der Eltern und Ange=
hörigen ist groß. Am 25 Juni wurde die kleinste Glocke vom
Turme heruntergenommen, und dem Vaterlande abgege=
ben. Dieselbe ist im Jahre 1849 in Gütersloh gegossen.
Wegen der lange anhalten[den] Dürre im Monat Juni
fing anfangs Juli schon die Ernte an. Zunächst die
Wintergerste. Der Halm war kurz geblieben und brachte
keinen befriedigten Ertrag. Der Roggen war auf
dem hochgelegenen Sandboden notreif geworden
und lieferte deshalb nicht den gewünschten Er=
trag weder an Stroh noch an Körnern. Heu ist
ist sehr trocken eingefahren, nur ist der Ertrag
wegen der langen anhaltenden Dürre, wenig.
Am 6 Juli ist der Musketier Ignatz Remmert
aus Untereichen in Frankreich gefallen.
Am 1. Juli einem Sonntage erkrankte der Hw.
Herr Pfarrer Liedhegener, nachdem er noch Hoch=
amt und Predigt gehalten hatte an Lungen=
entzündung. Nach achttägiger schwerer Krank=
heit ist er dann am 8 Juli abends gestorben.
Die Beerdigung fand am 11 Juli statt. Zu derselben
war der Hw. Herr Bischof Carl Joseph erschienen.
Der Hw. Herr nahm in der Kirche die Einsegnung

                                                                                       der

__________________________
234 Vergl. Fußnote Nr. 194.


[273]

Leiche vor. 56 geistliche Herren von nah und fern, nahmen an
der Beerdigung teil. Der Verstorbene hat zu nächst von Herbst
1896 als Kaplan und von 1909 Juli als Pfarrer in
der Pfarre Boke segensreich gewirkt. Der zeitige Herr
Kaplan Heinrich Happe wurde dann von der bischöflichen
Behörde als Pfarrverweser bestimmt.F 235
Im Monat August war die Witterung für die Land=
wirtschaft günstig, abwechselnd Regen und Sonnenschein,
so konnten sich die Hackfrüchte vorteilhaft entwickeln.
Wiesen und Weiden wurden wieder grün. Am
4 August ist der Landsturmmann Wilhelm Wassermann
in Galitien gefallen. Derselbe war noch kurz vorher in
Urlaub gewesen. Am 17. August ist der Unteroffizier
ernannt. Derselbe hat Stephan Jostmeier in Frankreich bei Cambrei durch
eine Granatsplitter getroffen gefallen.
Im September wurden schon die Frühkartoffeln
geerntet, welche einen reichlichen Ertrag lieferten
Der Zentner wurde mit 10 Mark bezahlt. Der zweite
Grasschnitt (Grummet) wurde gemäht. Der Grum=
met ist durchweg trocken eingefahren.
Auch die Spätkartoffelnernte im Oktober lieferte einen
reichlichen Ertrag, besonders die Sorte „Industrie“.
Am 7 Oktober gegen Abend brannte der Scheinestall des
Landwirts Franz Mielemeier Untereichen total nieder
Die Schweine sind zum Glück alle gerettet worden.
Gerade 8 Tage nachher um dieselbe Zeit brannte das
Wohnhaus des Franz Mielemeier ganz nieder. Die Fami=
lie ist glücklich aus dem Hause gekommen; auch die mei=
sten Möbeln und das Vieh ist gerettet. Die eingeernteten
Früchte und auch alle Futterartikel sind leider verbrannt.
Wie das Feuer entstanden hat leider nicht ermittelt

                                                                                       werden

__________________________

F Zum neuen Pfarrer
wurde von der
bischöflichen Be=
hörde der bisherige
Pfarrer in Bernburg
Herr Dr Schnitz
gebürtig aus Dahl,
ernannt. Derselbe hat
ist am 28 November
hier vom Herrn
Dechanten Schunk
Salzkotten feierlich
eingeführt worden. 


235 Vergl. Fußnote Nr. 132.


[274]

können. Der Musketier Joseph Beine zu Barbruch hat für be=
sondere Tapferkeit auf dem westlichen Kriegsschauplatze das eiser=
ne Kreuz I Klasse erhalten.
November, vom 25 bis 26 Nachts war ein orkanähnlicher Sturm,
wodurch viele Dächer teilweise abgedeckt wurden. Heinrich
Pottmeier hat zu Boke hat auf dem östlichen Kriegsschauplatze
durch einen Kopfschuß beide Augen verloren, ist also ganz
erblindet. Lorenz Wüschen hat in Rumänien durch Ma=
schienengewehrschuß in das linke Knie mehrere Kugeln
bekommen, so daß der Fuß über dem Knie hat abge=
nommen werden müssen. Am 7. Dezember wurde
ein Waffenstillstand mit Ruhsland von Mittags 12 Uhr
bis zum 17 mittags 12 Uhr vereinbart. Am 17 wurde
derselbe verlängert bis zu 18 Januar 1918. Die Friedens=
verhandlungen nahmen dann in Brest Litowsk
ihren Anfang. In diesem Jahre sind acht Soldaten
gefallen, so daß die Zahl der Gefallenen 29 beträgt.
Die Zahl der Geburten in diesem Jahre beträgt 24
und 29 Sterbefälle. Trauungen sind nicht vorge=
kommen. Die am 1. Dezember erfolgte Volks= und
Viehzählung hatte folgendes Ergebnis:236
Volkszählung:
Viehzählung:
Der Gemeindehaltungsplan war in Gesamtein=
nahme und Ausgabe 19400 Mark. Es wurden
360 % von sämtlichen Steuern erhoben.
Der Ernteausfall ist, wie im Einzelnen schon ausge=
führt befriedigt gewesen. Nur durch die dauernde Ab=
wesenheit der vielen Abwesen Einberufenen war der
Arbeitermangel in der Gemeinde sehr oft fühlbar. Die

__________________________
236 Die ermittelten Zahlen sind vom Chronisten nicht nachgetragen worden.


[275]

Die Martini Markt und Fruchtpreise stellten sich in
diesem Jahr für den Zentner wie folgt:

1. Weizen           .....       18      Mark
2 .Roggen          .....       15       „
3. Gerste            .....       18       „
4. Hafer              .....       20       „       
5. Kartoffeln       .....         6,50 „
6. Steckrüben   .....          3,80 „
7. Wurzeln         .....          7,00 „

Der Gemeinde-Vertretung wurde der Inhalt der
Chronik mitgeteilt und zu[r] Unterschrift vorgelegt.

Boke, den 10. Januar 1918.

Der Vorsteher:                  Die Gemeindevertretung:
J.W. Kiffe                           Schäfermeyer
                                            Leiwesmeier
                                           Jostmeier.


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