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28.04.2024
Lippedorf Boke

Chronikauszug des Jahres 1918

Die folgenden Blätter stellen einen Auszug aus der Boker Chronik (Boker Chronik I) des Jahres 1918 dar.

Bei der Übertragung der Originalschriften in die heutige Druckschrift wurde die Struktur der Chronik möglichst beibehalten.
Eine Seite des handschriftlichen Originals entspricht somit auch einer Seite in der Übertragung.
Auch die Interpunktion und die Orthographie des Originals wurde ohne Korrektur übernommen.
Was so alles in dem Jahr 1918 passierte, können Sie in dem folgenden Chronikauszug nachlesen.
Nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs wird in der Chronik des Jahres 1918 auch den Ereignissen dieses Weltkriegs eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Nach über 4 Jahren geht der Krieg mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands am 11. November 1918 endlich zu Ende.



 [276]

Jahr 1918.

Auch das Jahr 1918 steht noch unter dem Zeichen des großen
Weltkrieges. Das Ende desselben ist auch jetzt noch nicht abzu=
sehen. Freilich ist mit Ruhsland und Rumänien in Friedens=
verhandlungen mit Deutschland eingetreten. Der Friede
mit Ruhsland ist in Brest=Litowsk und mit Rumäni=
en in Bucharest geschlossen worden. Am 6 Januar
abends 6 Uhr starb der Herr Kaplan Heinrich Happe
nach kaum achttägiger Krankheit an Lungenentzündung
im kaum vollendeten 33 Lebensjahre. Der Verstorbene
war bei allen Pfarreingesessenen allgemein beliebt.
Dies zeichte sich so recht bei der Beerdigungsfeier am
10 Januar. Außer der ganzen Pfarrgemeinde nahmen
20 geistliche Herren daran teil. – Die Witterungsver=
hältnisse waren im Januar von einigen Schnee=
fällen und einigen Regentagen abgesehen, recht milde.
Am 16. Januar trat die Lippe über die Ufer und
Überschwämmte weite Strecken.
Auch im Februar war die Witterung milde. Am
11. 12 u 13 Frostwetter.
Bei der Märzoffensieve auf dem westlichen Kriegs=
schauplatze ist am 22 März der Sergeant Joseph Fehige
auf einem Patrolliengange gefallen. Der Familie
bringt man allgemeine Teilnahme entgegen, da dies
der zweite Sohn ist, der gefallen. Der dritte Sohn wur=
de durch einen Lungenschuß schwer verwundet. Letzte=
rer hat sich ist aber bald wieder geheilt. Am 25 März
ist der Bernhard Tölle gefallen und am 28. März
Hermann Wübbe, Sohn des Franz Wübbe, auch der
zweitgefallene Sohn. Im März fand die Zeichnung für
                                                      


[277]

die VII Kriegsanleihe statt. Bei der hiesigen Spar und Darlehnskasse
wurden von einzelnen Zeichnern mit Einschluß der Kasse selbst,
80300 Mark gezeichnet. Die Witterung war im März im Ganzen
rauh und kalt. Im März war die Witterung meist rauh und
kalt. – Im April, in den ersten Tagen Regen, und nachher
dunkles Wetter. Ende des Mts kam die Obstblüte zum
Vorschein. Leider traten einige kalte Nächte ein, wodurch
die Kirschen und Pflaumenblüten verloren gingen.
Äpfel= und Birnblüten sind nicht erfroren und ver=
sprachen eine gute Ernte. Anfangs Mai recht kalte Tage.
In der Mitte des Monats sehr heiß und trat eine
allgemeine Dürre ein, die bis in den Monat Juni
anhielt. Die Viehweiden vertrockneten; in vielen
Weidekämpen litt das Vieh schon Not. Anfangs Juni
begann am Lippekanal die Heuernte. Das Gras ist sehr
teuer gewesen und jeder Käufer hat sich verpflichten müssen
von jeden Morgen 4 Zentn. Heu an die Heeresverwal=
tung abzuliefern. Am 8. Mai ist der Sergeant Stephan
Schlink an einer schweren Verwundung in einem
Feldlazarett gestorben. Derselbe hinterläßt seine Frau
mit 5 Kindern und seine alte Mutter. Anfangs
Juni sehnte sich alles nach Regen. 14 Juni gewitter=
haft, aber wenig Regen. 17 Juni Regen und auch
die folgenden Tage. Am 22. hatte es Nachts gereift
Es konnten jetzt die Runkeln und Steckrübenpflan=
zen gesetzt werden. Am 3 Juni ist die hiesige Ka=
planeistelle wieder besetzt worden. Dieselbe ist von
der bischöflichen Behörde dem bisherigen Koparator237 Joseph
Pieper in Effeln, gebürtig aus Rüthen, verliehen
worden.
Am 15. Juli ist der Musketier Ignatz Stork und am 17.
der Sergeant Franz Remmert, gefallen. Am 27 Juli ein
                                                                                                      

__________________________
237 Duden, S. 400: „Kooperator ... (veralt. für: Mitarbeiter; landsch. u. österr.: kath. Hilfsgeistlicher, Vikar)“..


[278]

ein schweres Gewitter. Der Blitz traf hier bei dem Landwirt
Joseph Rüenbrink Untereichen eine hohe Pappel, die von oben
bis unten ganz gespaltet wurde.
Im August regnete es sehr viel. In diesem Monate war die
Roggenernte, welche allgemein befriedigte. Auch die Haferernte
hatte ein günstiges Resultat.
Die Grummeternte im Monat September wurde durch viele
Regentage verlängert. Das Gras sowohl auf den Kanalwie=
sen als auch auf den Lippewiesen wurde sehr teuer bezahlt.
pro Morgen bis 100 Mark. Ende des Monats begann die Kar=
toffelner[n]te. Diese Ernte war befriedigend. Beendet wurde
die Kartoffelnernte im Oktober, wurde leider durch viel
Regen gestört. Am 16. Oktober ist der Landsturmmann Anton
Nolte in Mühlheim in Baden an Lungenentzündung
gestorben. Den Eltern wurde eine allgemeine Teilnahme
entgegen gebracht, weil ihnen der Krieg drei hoffnungs=
volle Söhne genommen hatte.
Im November wurden die Hackfrüchte, als Runkeln, Steck=
rüben und Wurzeln eingefahren. Der Ertrag besonders
an Runkelrüben war gut. Am 5 November überreichte
der Reichskanzler Max von Baden eine Note an
die westlichen Verbandsmächte, um einen Waffen=
stillstand, stützend auf die 14 vierzehn Punkte des
Präsidenten Wilson in Nordamerika. Vom 4. Novem=
ber begann schon in ganz Deutschland eine Um=
wellzung. Von Kiel aus verbreitete sich die revo=
lutionäre Bewegung über die Hafenstädte und den
ganzen Westen Deutschlands. Zu gleicher Zeit brach
in Berlin ein allgemeiner Streik aus und die
Sozialdemokratie stellte ein Ultimatum an die
Regierung, der Kaiser Wilhelm II und auch der Kron=
prinz müßten abdanken, andernfalls die Sozialdemo=
kraten aus der Regierung austreten würden. So verzichtete


[279]

der Kaiser Wilhelm II und der Kronprinz auf die Würde
als Kaiser und König von Preuhsen und Deutschland.
Auch der Reichskanzler Prinz Max von Baden legte sein
Amt nieder. Die ganze Regierungsgewalt kam in die Hände
der Sozialdemokraten. Staatssekretär Scheidemann verkündete
die Republik. An die Spitze der Regierung trat der Führer
der Sozialdemokratie der Abgeordnete Ebert. Am 11 November
wurde der Waff[en]stillstand unterzeichnet. Der Waffenstillstand
dauerte 35 Tage. Deutschland muß sämtliche Gefangene ausliefern,
während für unsere nichts bestimmt wird. Dann sämtliches be=
setztes Gebiet räumen. Dazu muß Deutschland 5000 Kanonen,
30000 Maschinengewehre, 3000 Mienenwerfer, 2000 Flugzeuge,
5000 Lokomotiven, 5000 Autos u. 150000 Eisenbahnwagen abge=
ben und die feindlichen Besatzungstruppen unterhalten.
Der Kaiser ist mit dem Kronprinzen von Spa aus nach
Holland geflüchtet, wo er am 11 November angekommen
ist. Am 14 November wurde in hiesiger Pfarrkirche für den
Pionier Heinrich Tönsmeier ein Seelenamt gehalten.
Derselbe ist im Lazarett in Strahsburg am 25 September
an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben.
Die Vokszäh=        Im Dezember erfolgte der Rücktransport der
lung: 1.12.18         Truppen. Auch hier sind viele Truppen zu Fuß und
männlich 470         auch große Wagenparks durchgezogen. An einigen
weiblich 532         Tagen lagen hier auch Einquartierungen. In die=
Zusammen            sem Jahre (1918) sind 8 Soldaten gefallen, so daß die
1002 Personen     Zahl der Gefallenen aus hiesiger Gemeinde 37 beträgt.
Die Zahl der Geburten beträgt in diesem Jahre
23, die der Sterbefälle mit ange[me]ldeten238 Soldaten
39 und 2 Trauungen sind vorgekommen.
Die am 1 Dezember erfolgte Viehzählung hatte fol=
11 zahme             dendes Ergebnis: 112 Pferde, 793 Rindvieh, 351 Schafe, 626 Schweine, 11 Ziegen
Kaninchen           Der Gemeindehaushaltungsplan war in Gesamteinnahme
1951 Stück
Federvieh

                                                               

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238 Gemeint ist wohl, daß die Zahl der gefallenen Soldaten, die von offizieller Seite „gemeldet“ wurde, in die Sterbestatistik eingeflossen ist.


[280]

und Ausgabe 19400 Mark. Es wurden
350 % von sämtlichen Steuern erhoben. Der
Ernteausfall ist, wie in den einzelnen
Monaten schon ausgeführt, befriedigend ge=
wesen. Nur durch die dauernde Abwesenheit der vielen
Soldaten war der Arbeitermangel in der Gemeinde
sehr oft fühlbar. Die Martini Markt und Fruchtpreise
stellten sich in diesem Jahre für den Zentner wie folgt. :

1. Weizen           .....       20        Mark
2 .Roggen          .....       18        „
3  Gerste            .....       18        „
4. Hafer              .....       19        „       
5. Kartoffeln       .....         6        „
6  Steckrüben   .....          2,50  „
7  Wurzeln         .....          6,00  „

Der Gemeindevertretung wurde der Inhalt der
Chronik mitgeteilt und zu[r] Unterschrift vor=
gelegt.

Boke, den 10. Januar 1919.

Der Vorsteher:                  Die Gemeindevertretung:
Tölle                                   Schäfermeyer
                                            Leiwesmeier
                                            Jostmeier.
                                            Pottmeier


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